Montag, 26. September 2016

Kreuzfahrten, Landgänge und der Begriff Gigolo



Eine moderne Oma
(Untertitel: eine andere Welt)
    Oh weh, wenn sie wüsste, dass ich sie Oma nenne, würde sie die Wände hochgehen denn sie selbst sieht sich nicht so, obwohl sie die 90 längst erreicht hat. Großmutter wäre auch ein Name für sie, aber ich nenne sie Mutter, denn sie ist meine.
Aufgeschlossen, weltoffen, sehr interessiert und informiert an allem, vor allem was die Weltpolitik angeht, ist sie noch heute. Ich wünschte mir oft, ich würde ihren Wissensstand erreichen und weiß doch, das schaffe ich nie, egal wie alt ich werde, mir fehlt einfach die Zeit, die sie hatte um all das zu erreichen.
Zwar sieht sie kaum mehr, hört auch noch schlecht und dennoch bekommt sie mit ihrem Kopf alles mit. Vielleicht machen das ja die vielen Gespräche mit mir und meiner Tochter die so viel von ihr gelernt hat. Aber warum nenne ich sie modern?
Gestern Abend landete ich – rein durch Zufall ganz spät in einem Programm mit einer Doku über Gigolos, keine Ahnung in welchem  es stattfand, vielleicht  in Arte dem  Kultursender, auf jeden Fall blieb ich interessiert daran  hängen.
Ein Kreuzfahrtschiff, es war die MS-Deutschland schipperte durch die Südsee und es wurde darüber sehr anschaulich berichtet welche Art  Menschen, Gäste, Besucher und  Bedienstete dort für die Dauer des Aufenthalts  lebten und sich je nach Laune amüsierten und unterhielten. Auf dem Landgang, an Bord, am frühen Morgen, dem Mittagstisch und dem Abend mit seinen Programmen.
Alleinreisende Damen und Herren unbestimmten Alters „ vergnügten sich  miteinander“ auf hohem Niveau.
Als ich den Namen Gigolo  hörte,  verzogen sich meine Mundwinkel  erst etwas verächtlich nach unten, das gestehe ich gerne, denn ich verband damit eine etwas anrüchige Spezies von Herren die in den dreißiger Jahren den Damen auf unmissverständliche Weise zur Verfügung standen. Ich denke sie werden zu Unrecht so benannt weil Gigolo als ein Synonym  für "Verführung älterer Damen "steht.
Wie man sich doch durch Vorurteile und  „nichtsoganzgenaubescheidwissen“ irren kann.
Es ist ein durchaus ehrenwerter BERUF als Unterhalter, der selbst im Heute in gewissen Kreisen noch nicht ausgestorben ist, wie man aus der Doku ersehen konnte.
                    Gut erzogene, elegant und stilsicher gekleidete, aus gutem Hause stammende Herren ab Siebzig stellten sich zum Tanz und damit outeten sie sich als „Eintänzer“, die es auch früher schon gab, den Damen zur Unterhaltung und Begleiter zur Verfügung um die Zeit an Bord angenehm  auszufüllen.
Es waren in der Doku alles allein zurückgebliebene gediegene Herren, deren Ehepartner schon verstorben waren und die sich entweder „etwas dazuverdienen, oder die freie Zeit sinnvoll nutzen wollten. Das eigene  „Alleinsein“  durchbrechen, etwas Schönes für sich und andere tun. Das war in erster >Linie ihre Motivation sich dazu zu melden.
Daran ist beileibe nichts anstößiges, Unrühmliches zu finden. Ein“ Job“,  der auf Kreuzschiffen durchaus geschätzt wird. Sowohl von den Damen als auch von den Herren. Sicher eignet sich dafür nicht jeder. Und nicht jeder weiß wie weit er gehen kann./Auch dieses Berufsbild kann natürlich benutzt werden um jemanden abzuschleppen wie es im Heute so salopp benannt wird./ Ausnahmen gibt es immer, doch hier in der Doku nicht.
Elegant, wortgewandt  und stilsicher, gebildet, gewohnt Komplimente auszusprechen führten sie die Damen übers Parkett und unterhielten sie auf angenehmste Weise. Weltpolitik, Reisen, Hobbys und Interessen waren die Themen. Es war so selbstverständlich wie das angenehme Äußere und die lackierten Fingernägel der gepflegten Damen, die nur eine angenehme Begleitung und ein unterhaltsames Gespräch wünschten..
Der Handkuss, die Verbeugung, die Vorstellung, den Stuhl  zu Recht rücken, gehörte ebenso wie selbstverständlich dazu. Mir war völlig unbekannt, dass es das auch heute noch gibt.Und überhaupt, wer schenkt denn heutzutage noch einem anderen ein Küsschen auf die Pfote, oder küsst heutzutage noch einem anderen die Hand, bei der Ansteckungsgefahr von Viren und Bakterien, igitt wird man im heute dazu sagen, früher war das an der Tagesordnung und das nicht nur in gewissen Kreisen.
Wie auch nette Herren, die den Damen die Tür aufhalten,  Aufmerksamkeit schenken, in den Mantel helfen, wissen auf welcher Seite der Herr „geht“, das gibt es doch heute gar nicht mehr, so, dachte ich. Doch so kann man sich täuschen.
Darüber unterhielt ich mich lange mit meiner Mutter am Telefon und wunderte  mich wie selbstverständlich sie dies sah. Für sie hatte dieser "Berufsbegriff" überhaupt nichts Negatives und schon gar nicht etwas Anstößiges. Für sie war er nicht neu.
Sie kannte dies eben aus ihrer Jugendzeit und ich habe wieder etwas dazu gelernt.  
      Und sind wir mal ehrlich, manchen Herren unserer Zeit würde ich es wirklich  wünschen, dass sie vom höflichen Umgang und  Benehmen der früheren und heutigen "Gigolos" etliches lernen würden.Vor allem gute Tischmanieren, und zumindest gutes Benehmen.Höflichkeit und Rücksicht.
Man mag mich nun für  „unmodern oder für rückständig“ halten, aber ich schätze solches Benehmen auch und finde die sog. Emanzipation der Frauen hat uns das irgendwie weggenommen...
doch auf einem Kreuzfahrtschiff war ich noch nicht.
Dem Begriff Gigolo, den ich überhaupt nicht mag, stehe ich nun anders gegenüber. Respektvoll.

@ Angelface.


9 Kommentare:

  1. Bei diesem Beitrag musste ich lachen ... herzhaft ... und zwar über mich und meine Begegnung mit einem *Gigolo*, der mir im Alter von 22 begegnete.
    Er hielt mir im Restaurant die Tür auf, nahm mir meinen Mantel ab und rückte mir den Stuhl zurecht.
    Ich war irritiert, sagte, ich müsse mich erst einmal frisch machen und stand auf.
    Er stand ebenfalls auf ... verbeugte sich leicht und ich verschwand im Waschraum.
    Mir war unwohl, weil ich nicht wusste, was noch alles kam.
    Natürlich half er mir in den Mantel, als wir gingen. Ich fand den Ärmel nicht. Beim Hinausgehen rempelte ich ihn an, da ich schneller war als er und sein Versuch, mich zu überholen, um die Tür zu öffnen, mich fast zu Fall brachte. Die Autotür öffnete er mir auch und ich plumpste in den Triumpf, der so niedrig war wie der Bordstein.
    Zuhause angekommen öffente er die Tür und deutete einen Handkuss an. Was für eine Schule des guten Benimm.
    Ich habe ihn danach nie mehr wiedergesehen.
    Diese Begegnung ist mir im Gedächtnis geblieben und dank deiner Geschichte hat sie nun wohl, 60jährig, einen Platz in meinem Herzen.
    Wunderbar und danke fürs Erinnern, denn eigentlich hatte dieser junge Mann für mich nur ein gutes Benimm ...
    sissi

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  2. Liebe Angelface, wie interessant zu lesen. So oft, denke ich, liegen wir "daneben" mit unseren Meinungen, irgendeinem Begriff. Umso schöner, dass Du Dir die Mühe machst, dies - zumindest hier für den Gigolo - zurechtzurücken.

    Schöner Gigolo, armer Gigolo... fand auch gesungen zu uns:
    https://youtu.be/18u5EsDUI3M

    Mit sonnigen Grüßen, Heidrun

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  3. leise vor mich hinschmunzelnd lese ich euren Kommentar.
    Danke...wirklich danke, dass das Thema doch so "ernsthaft mitbeleuchtet" und aufgenommen wird. Ich "ärgerte" mich fast schon/schämte mich über mein eigenes Vorurteil, das so schnell bei der Hand ist".
    /den eigenen Balken im Auge sehen - man erinnert sich.?/
    sissi, eine hübsche, amüsante Geschichte, mir hätte das auch passieren können, statt sich über diese ungewohnten Aufmerksamkeiten einfach zu freuen, versucht man sie zu ignorieren.Zu schade...wo sie doch so angenehm sind wenn man sie als Frau bekommt.
    Wollen wir irgendwann mal ne "Kreuzfahrt zusammen machen" um auch in diesen Genuss zu kommen, den man sonst nie mehr sieht?:))
    Liebe Erica- du bist sicher dabei und wir singen den Song zur YouTube Darstellung dann zusammen...:))
    lächelnd Angelface ( jaja, manchmal hat man noch TRäume...

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  4. Kreuzfahrt ... da muss aber erst mal ein Lottogewinn her, liebe Angel.
    Ich denke gerne an den netten Amerikaner mit Liebeskummer (seine Liebste hatte ihn verlassen), den Freunde von mir auf andere Gedanken bringen wollten. Deswegen war ich eingeladen.
    Vorbei ... und, schön wars.

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  5. Ja, es liegt vielleicht auch am Alter. Frau ist nicht mehr ganz so flexibel. Dabei bin ich trotzdem sehr tolerant, im Gegensatz zu anderen, die alles mögliche noch viel enger sehen... 😉 Es kann nicht schaden, öfter einmal über den eigenen Schatten zu springen.

    Mit sonnigen Grüßen, Heidrun

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  6. 😉 "Es kann nicht schaden, öfter einmal über den eigenen Schatten zu springen."
    das liebe Erica ganz sicher nicht..:))danke für den Zwinkerer..

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  7. Den Begriff "Gigolo" mag ich auch nicht. Ich habe allerdings auch einen Teil der Sendung gesehen und der Herr, der ältere Damen zum Tanz aufforderte, schien mir nicht wie ein"Gigolo", sondern nur wie ein höflicher Mann, der mit den alleinstehenden Damen tanzt. Nicht mehr und nicht weniger. So ist wohl beiden Seiten geholfen.
    LG
    Astrid

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    1. siehste liebe Astrid, das fand ich auch, schön dass du die "sendung" auch gesehen hast, den Eindruck hatte ich nämlich auch!!!

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  8. zwinker: andere - scheinen den begriff GIGOLO allerdings nicht zu kennen, oder keinen ähnlich gearteten Mann der einer Dame die Tür aufhält oder nicht weiss, dass man auf der STrasse als Mann immer direkt am Straßenrand geht um sie zu "schützen...wie schade, es würd keinem H. schaden wenn er das( noch) wüsst...lacht angel...

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Vielen Dank für Euer bisheriges, sehr reges Lesen bei mir, für eure Besuche und das Interesse an meinen Beiträgen.
Lieben Gruß, bleibt gesund und Adieu, > bis zum nächsten lesen.. @ Angelface